Aphorismen von Marie von Ebner-Eschenbach
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Ein Urteil lässt sich widerlegen, ein Vorurteil nie.
Ihr jubelt über die Macht der Presse - graut euch nie vor ihrer Tyrannei?
Es würde viel weniger Böses auf Erden geben, wenn das Böse niemals im Namen des Guten getan werden könnte.
Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat.
Siege, aber triumphiere nicht.
Geistlose kann man nicht begeistern, aber fanatisieren kann man sie.
Die meiste Nachsicht übt der, der die wenigste braucht.
Nicht, was wir erleben, sondern wie wir empfinden, was wir erleben, macht unser Schicksal aus.
'Man kann nicht allen helfen', sagt der Engherzige und hilft keinem.
Überlege einmal, bevor du gibst, zweimal, bevor du annimmst, und tausendmal, bevor du verlangst.
Der Klügere gibt nach! Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit.
Eine gescheite Frau hat Millionen geborener Feinde: alle dummen Männer.
Wenn es einen Glauben gibt, der Berge versetzen kann, so ist es der Glaube an die eigene Kraft.
Wenn alberne Leute sich bemühen, ein Geheimnis vor uns zu verbergen, dann erfahren wir es gewiss, so wenig uns auch danach gelüstet.
Wer nichts weiß, muss alles glauben.
Was nennen die Menschen am liebsten dumm? Das Gescheite, das sie nicht verstehen.
Nicht jene, die streiten sind zu fürchten, sondern jene, die ausweichen.
Man muss schon etwas wissen, um verbergen zu können, dass man nichts weiß.
Solange man selbst redet, erfährt man nichts.
Es fällt uns sehr schwer, denjenigen, der uns bewundert, für einen Dummkopf zu halten.
Wirklich gute Freunde sind Menschen, die uns ganz genau kennen, und trotzdem zu uns halten.
Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit.
Für das Können gibt es nur einen Beweis: das Tun.
Der Umgang mit einem Egoisten ist darum so verderblich, weil die Notwehr uns allmählich zwingt, in seinen Fehler zu verfallen.
Nur der Denkende erlebt sein Leben, an Gedankenlosen zieht es vorbei.
Wir sind leicht bereit, uns selbst zu tadeln, unter der Bedingung, dass niemand einstimmt.
Man hat einen zu guten oder einen zu schlechten Ruf; nur den Ruf hat man nicht, den man verdient.
Das Alter verklärt oder versteinert.
Wer sich seiner eigenen Kindheit nicht mehr deutlich erinnert, ist ein schlechter Erzieher.
Wir unterschätzen das, was wir haben und überschätzen das, was wir sind.
"Und ich habe mich so gefreut!" sagst du vorwurfsvoll, wenn dir eine Hoffnung zerstört wurde. Du hast dich gefreut - ist das nichts?
Vertrauen ist Mut, und Treue ist Kraft.
Eine stolz getragene Niederlage ist auch ein Sieg.
Eltern verzeihen ihren Kindern die Fehler am schwersten, die sie ihnen selbst anerzogen haben.
Nichts macht uns feiger und gewissenloser als der Wunsch, von allen Menschen geliebt zu werden.
Es gibt kein Wunder für den, der sich nicht wundern kann.
Wir müssen immer lernen, zuletzt auch noch sterben lernen.
Die meisten Nachahmer lockt das Unnachahmliche.
Haben und nicht geben ist in manchen Fällen schlechter als stehlen.
Sag etwas, das sich von selbst versteht, zum ersten Mal, und du bist unsterblich.
Die Gelassenheit ist eine anmutige Form des Selbstbewusstseins.
Es gibt Fälle, in denen vernünftig sein, feig sein heißt.
Müde macht uns die Arbeit, die wir liegenlassen, nicht die, die wir tun.
Die meisten Menschen brauchen mehr Liebe, als sie verdienen.
Wenn die Zeit kommt, in der man könnte, ist die vorüber, in der man kann.
Es gibt keine schüchternen Lehrlinge mehr, es gibt nur noch schüchterne Meister.
Zwischen Können und Tun liegt ein Meer und auf seinem Grunde gar oft die gescheiterte Willenskraft.
Man darf anders denken als seine Zeit, aber man darf sich nicht anders kleiden.
Was andere uns zutrauen, ist meist bezeichnender für sie als für uns.
Lieber von einer Hand, die wir nicht drücken möchten, geschlagen, als von ihr gestreichelt werden.
Die kleinsten Sünder tun die größte Buße.
Ein stolzer Mensch verlangt von sich das Außerordentliche. Ein hochmütiger Mensch schreibt es sich zu.
Das Erfundene kann vervollkommnet, das Geschaffene nur nachgeahmt werden.
Die uns gespendete Liebe, die wir nicht als Segen und Glück empfinden, empfinden wir als eine Last.
Über das Kommen mancher Leute tröstet uns nichts als die Hoffnung auf ihr Gehen.
Wer an die Freiheit des menschlichen Willens glaubt, hat nie geliebt und nie gehasst.
So mancher meint ein gutes Herz zu haben und hat nur schwache Nerven.
Der Gedanke an die Vergänglichkeit aller irdischen Dinge ist ein Quell unendlichen Leids - und ein Quell unendlichen Trostes.
Ein Aphorismus ist der letzte Ring einer langen Gedankenkette.
Ein wahrer Freund trägt mehr zu unserem Glück bei, als tausend Feinde zu unserem Unglück.
Wenn die Neugier sich auf ernsthafte Dinge richtet, dann nennt man sie Wissensdrang.
Je mehr du dich selbst liebst, je mehr bist du dein eigener Feind.
Das Motiv einer guten Handlung ist manchmal nichts anderes als zur rechten Zeit eingetretene Reue.
Die Liebe überwindet den Tod, aber es kommt vor, dass eine kleine üble Gewohnheit die Liebe überwindet.
Am Ziele deiner Wünsche wirst du jedenfalls eines vermissen: dein Wandern zum Ziel.
Der Geist einer Sprache offenbart sich am deutlichsten in ihren unübersetzbaren Worten.
Sei deines Willens Herr und deines Gewissens Knecht.
Du kannst so rasch sinken, dass du zu fliegen meinst.
Ausnahmen sind nicht immer Bestätigung der alten Regel. Sie können auch Vorboten einer neuen Regel sein.
Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.
Die Skizze sagt uns oft mehr als das ausgeführte Kunstwerk, weil sie uns zum Mitarbeiter macht.
Ein Merkmal großer Menschen ist, dass sie an andere weit geringere Anforderungen stellen als an sich selbst.
Jeder Mensch hat ein Brett vor dem Kopf - es kommt nur auf die Entfernung an.
Sich mit wenigem begnügen ist schwer, sich mit vielem begnügen unmöglich.
Der Zufall ist die in Schleier gehüllte Notwendigkeit.
An Rheumatismen und an wahre Liebe glaubt man erst, wenn man davon befallen wird.
Die größte Nachsicht mit einem Menschen entspringt aus der Verzweiflung an ihm.
Die Liebe hat nicht nur Rechte, sie hat auch immer recht.
Im Entwurf, da zeigt sich das Talent, in der Ausführung die Kunst.
Wir werden vom Schicksal hart oder weich geklopft, es kommt auf das Material an.
Wie teuer du eine schöne Illusion auch bezahlt hast, du hast doch einen guten Handel gemacht.